Die Autorin im Interview.
Du arbeitest sowohl in der Werbung als auch als Autorin. Hat dein Job als Werbetexterin deinen Weg als Autorin beeinflusst?
Ganz bestimmt. Als Werbetexterin arbeite ich jeden Tag mit Worten und Ideen. Man muss mit Worten umgehen können, seinem Sprachgefühl vertrauen und darf sich nicht von Rückschlägen und Kritik an den eigenen Ideen aus dem Tritt bringen lassen.
Das war und ist sicher ein gutes Training – auch wenn ich als Texterin in der Regel in sehr viel kürzeren Formaten denke, in knappen TV-Spots oder kurzen Headlines. Das ist ein Luxus, den ich als Autorin habe: Ich kann erzählen, was ich möchte, so ausführlich, wie ich möchte.
Wie gehst du vor, wenn du schreibst?
Oftmals habe ich ein bestimmtes Element von Anfang an im Kopf: Einen bestimmten Moment, den ich ganz klar vor mir sehe. Eine fiktive Person, die mir schon ganz vertraut ist und die dann nach und nach eine Geschichte bekommt.
Bei Nordsee-Nacht war es so, dass die Geschichte irgendwann einfach da war. Natürlich nicht bis ins letzte Detail, aber doch in weiten Teilen. Es hätte sich komisch angefühlt, sie nicht aufzuschreiben.
Eine Regel, die ich mir selbst vorgegeben habe, ist: möglichst nicht mehrere Buchprojekte gleichzeitig beginnen. Ich habe immer sehr viele Ideen und Ansätze im Kopf, da würde ich mich schnell verzetteln… also versuche ich, mich zu disziplinieren und erst mal eine Sache fertigzustellen.
Lässt du dich von realen Ereignissen inspirieren? Basiert Nordsee-Nacht auf einer wahren Begebenheit?
Ich glaube, es passiert ganz automatisch, dass man von allem, was man erlebt, liest und sieht, beeinflusst wird. Alles, was uns begegnet, nehmen wir auf und verarbeiten es auf die ein oder andere Weise. Ganz sicher fließt auch so das Geschehen um mich herum in meine Geschichten mit ein. Diese basieren aber in der Regel nicht auf einem konkreten realen Ereignis; auch Nordsee-Nacht beruht nicht auf einer wahren Begebenheit.
Wenn ich bewusst etwas einbaue, dann sind das eher Kleinigkeiten: Eine Person, die mir flüchtig begegnet, wird, rein optisch, zum Vorbild für einen Protagonisten. Eine kuriose Begebenheit, die ich beobachte, landet in der Vergangenheit einer Romanfigur. Das sind kleine Alltagsschätze, die zu besonders sind, um sie nicht zu nutzen.
Um was genau geht es bei Nordsee-Nacht?
Nordsee-Nacht ist die Geschichte eines Verschwindens. Ein Mädchen wird vermisst, und alles wird getan um sie zu finden. Gleichzeitig erzählt Nordsee-Nacht aber auch die Geschichte jener, die zurückbleiben. Die mit der Frage leben müssen, ob sie das Geschehene hätten verhindern können. Die mit der Schuld leben müssen, die sie empfinden.
Diese alte Schuld führt, zusammen mit neuen Ereignissen, Jahre später dazu, dass der Fall wieder aufgerollt wird, und schlecht verheilte Wunden wieder aufgerissen werden.
Was ist für dich das Besondere an Nordsee-Nacht?
Für mich war beim Schreiben das Innenleben der Protagonisten besonders wichtig. Nicht nur: Was passiert und warum? Was passiert danach? Sondern auch: Was macht das mit der betreffenden Person? Was fühlt sie? Zweifelt sie? Hinterfragt sie ihr Handeln?
Menschen sind auch mal hilflos, machen Fehler, wissen nicht weiter. Sie verändern und entwickeln sich. Das ist im echten Leben so und soll auch in meinen Büchern so sein.
Außerdem liebe ich es, Bilder aufzumachen – zumindest hoffe ich, dass mir das gelingt. Die Atmosphäre nicht nur zu beschreiben, sondern einen echten Eindruck zu vermitteln: Wie fühlt sich ein Ort an, wie riecht er, wonach schmeckt die Luft? Ich wünsche mir, dass die Leser wirklich da sind, am Ort des Geschehens.
Eine abschließende Frage: Was ist das Beste am Schreiben?
Eine ganz eigene Welt gestalten zu können. Und wenn das Schreiben geschafft ist: Wenn sich jemand die Zeit nimmt, das fertige Werk zu lesen und sich mit meinen Gedanken auseinanderzusetzen. Das ist ein wunderbares Gefühl.